Alte weise Männer

Alte weise Männer

Ein Kommentar zum Buch „Alte weise Männer“ von Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt:

Vor Kurzem habe ich eine Workation angetreten und bin an einer Buchhandlung am Flughafen über diesen Titel gestolpert. Untypisch für mein Buchkaufverhalten, konnte ich nicht daran vorbeigehen. „Alte weise Männer“ – der Titel hat mich gepackt. Seit längerem hadere ich mit der ganzen Feminismus und Gender-Debatte und versuche mir eine Meinung über die Macht der Frauen und die Stellung von alten weisen Männern zu bilden.

Was hat mich an dem Buchtitel getriggert?

Nun, ich strebe danach, eine starke Frau zu sein und alte weise Männer spielen in meinem Leben keine unbedeutende Rolle. Positiv wie negativ. Für mich war der Titel provokant genug, um wissen zu wollen, wie diese zwei smarten Autorinnen ihr Bild über den alten weißen Mann erklären. Ihr Plan scheint also aufgegangen zu sein!

wie ich vor dem Lesen des Buches zum alten weisen Mann stehe

Meine Mutter und mein Vater haben mich beide auf sehr unterschiedliche Art und Weise zu einer starken, unabhängigen Frau erzogen. Mein Leben lang schon orientiere ich mich an Menschen, die mich faszinieren. Faszinieren, weil sie eine Begabung, eine Fähigkeit oder die Intelligenz haben, die ich als erstrebenswert empfinde und mir oft etwas davon abschauen wollte. Beruflich war ich meistens in Männerdomänen unterwegs. Per Statistik habe ich also viel mit älteren weißen Männern zu tun gehabt und viel von ihnen gelernt. Auch ihre Fehler habe ich genauestens studiert und meine Schlüsse daraus gezogen. Ich habe oft bewusst nach faszinierenden, erfolgreichen Frauen gesucht. Ein paar habe ich kennenlernen dürfen. Nicht viele, doch ausreichend, um zu verstehen, wie ich als Mensch gerne sein möchte.

Wir haben den weißen Männern viel zu verdanken

Nun lese ich also dieses Buch in wenigen Tagen durch, weil es mich wirklich interessiert hat. Franka und Nina führen darin Interviews mit 10 weißen Männern, die unsere Gesellschaft sicherlich als beruflich erfolgreich beschreiben würde. So erfolgreich, dass man alle von ihnen aus den Medien kennt. Die Vielfalt der Lebensmodelle sind begrenzt aber ausreichend, um die Botschaft zu verstehen, die beiden Autorinnen ausdrücken möchten: Wir haben diesen Männern viel zu verdanken und können einiges von ihnen lernen.

Die Berufe der Männer umfassen: Schauspieler, Politiker, Unternehmer.

Nena und Franca brechen eine Lanze für die Generation, die nach dem Krieg mit ihrem beruflichen Erfolg einen Beitrag zu unserem heutigen Wohlstand geleistet haben. Zu Recht finde ich. Ich stimme den beiden zu, dass wir dieser Generation, die wenig hatte, viel geleistet hat und dadurch einen enormen Wohlstand für unsere heutige Welt in Deutschland erzeugt hat, zu Dank verpflichtet sind. Die Erfahrung, die diese Männer gemacht haben, helfen uns Jüngeren sicher dabei, viele Fehler nicht zu wiederholen. So ist das nun mal, wenn Menschen etwas gemacht haben, was andere noch nicht gemacht haben. Die, die es noch nicht gemacht haben, können von denen mit Erfahrung lernen. Eine Binsenweisheit.

Für die beiden Autorinnen ist es wichtig, dass wir in der heutigen Debatte um Gleichberechtigung und im Kampf um Chancengleichheit die alten weißen Männer nicht pauschal verurteilen und sie an den Pranger stellen, nur weil sie weiß, reich und über 70 Jahre alt sind (Dies waren die Hauptkriterien für die Auswahl der Interviewpartner). Auch mit dieser Botschaft gehe ich mit.

In ihrer Hommage an Francas Vater, der in den Augen der beiden ebenfalls stellvertretend für das Bild des alten weißen Mannes steht, und es deshalb in die Interviewpartnerliste geschafft hat, entdecke ich allerdings einen Denkfehler.

Wie sähe Deutschland heute aus, wenn Frauen das System geschaffen hätten?

Ich nehme den Punkt, dass wir den Männern unseren heutigen Wohlstand zu verdanken haben, denn sie haben ja schließlich das System, das Land und all die erfolgreichen Unternehmen, von denen wir heute zehren aufgebaut. Doch wie sähe unser System aus, wenn Frauen damals die gleichen Chancen gehabt hätten? Wenn Frauen ein von Grund auf neues Deutschland aufgebaut hätten? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es dann fairer zugehen würde. Schade ist aber, dass wir dies nie erfahren werden, denn sie hatten damals schlichtweg nicht die Chance dazu.

Die wenigen Frauen, die in diesem (beruflichen) Maße hätten einen Beitrag leisten können, hat man damals einfach nicht ans Steuer gelassen. Frauen wurden meistens nur deshalb auf die Uni geschickt, um einen guten -idealerweise weißen – Mann zu finden.

Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.

Doch, wenn wir heute das Bild des alten weißen Mannes verwenden, wollen wir doch nicht die lieben Seiten unseres Opas verpönen. Es geht nicht darum, auf den guten Männern herumzuhacken, die Gutes bewirkt haben. Wenn ich in meinem Berufsalltag einem alten weißen Mann begegne, denke ich an diejenigen Männer, die mich wütend machen. Ich denke an diejenigen, die bereit sind den Preis für ihren Erfolg zu zahlen:

Geldgier, Machtgehabe, Die Unterdrückung der Frauen aus Angst vor dem Unbekannten; Weiße Männer, die wiederum weiße jüngere Männer einstellen, weil sie die typische Zickerei und das Schwangerwerden der Frau befürchten. Von den Ängsten gegenüber schwarzen, gelben und pinken Männern mal ganz abgesehen. Frauen stehen hier stellvertretend für jedwede unterrepräsentierte Minderheit in Machtpositionen. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Das ist außer meiner Sicht das eigentliche Problem der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen und das, was wir mit dem Sinnbild des alten, weißen Mannes beschreiben und hinter uns lassen wollen.

Dazu nehmen Nena und Franca leider keine Stellung. Sie kehren die guten Seiten ihrer Interviewpartner heraus, die sicherlich berechtigt sind. Auch ich schaue zu vielen weißen Männern auf, die Beeindruckendes bewirkt haben. Doch das steht nicht im Widerspruch zu dem Problem, dass Frauen beruflich benachteiligt sind, weil viele Männer nach wie vor entscheiden, wer ihnen nachrückt und wer die machtvollen Positionen besetzt.

Wollen Frauen überhaupt in Machtpositionen?

Nun habe ich selbst oft argumentiert, „Nun, ich kenne auch wenig Frauen, die Bock haben auf eine Führungsposition in einem Konzern, auf das Gründen eines Unternehmens oder auf eine einflussreiche Rolle in der Politik.“ Ich selbst sehe die Feminismus Debatte oft skeptisch und es fällt mir schwer eine klare Meinung zu haben. Ich sehe auch die vielen Frauen, die nach Gleichberechtigung schreien, aber am Ende doch lieber beim Thema Altersvorsorge darauf vertrauen, dass ihr Mann das schon regeln wird. Die Antwort, die das Buch darauf aber geben möchte, beantwortet nicht die eigentliche Frage. Doch ist nicht der Grund, wieso so wenige Frauen nach Machtvollen Positionen streben, dass das Umfeld in diesen Rollen von genaue dieser „Spezies“, dieser unangenehmen und falschen Dominanz der Männer bestimmt wird? Deshalb empfinden viele von uns Frauen diese Positionen nicht als besonders erstrebenswert.

Während des Lesens wurde ich oft sauer

Die Argumentation war mir persönlich zu einfach. So viele Klischees wurden bestätigt, obwohl genau das nicht das Ziel war. Ich habe dennoch eine wesentliche Erkenntnis zum Thema Gleichberechtigung für mich mitgenommen und deshalb bin ich für dieses Buch dankbar. Es hilft dabei, die eigene Meinung zu schärfen – egal, ob ich den Autorinnen zustimme oder nicht. Und eigentlich geht es doch in der Literatur und der Kunst genau darum: Sich am Ende selbst eine Meinung bilden zu können.

Folgende Gemeinsamkeiten sind mir aufgefallen, die Franca und Nena in ihrer Zusammenfassung nicht erwähnen oder anders interpretiert haben:

Alle Männer haben den beruflichen Erfolg in ihrem Leben ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Ehrgeiz zu verdanken. Sie alle haben sich in ihrem Beruf selbstverwirklicht und einfach das gemacht, was sie wollten und für richtig gehalten haben.

Wieder einmal komme ich zu dem Schluss, dass das Geheimnis des Erfolges und des Glücklichseins, in unserem inneren Selbstwertgefühl liegt. Ob wir unseren Kindern nun rote oder pinke Kleidung anziehen, ihnen einen Bagger oder eine Puppe zum Spielen geben, ist belanglos, solange wir ihnen das Gefühl geben, dass sie mithilfe des Vertrauens in sich selbst, ihre eigene Welt und die unserer Gesellschaft selbst gestalten können.

Alle Männer haben zudem rückblickend den Erfolg in ihrem Leben auch ihren Ehepartnern zugesprochen. Ich hätte hier auch Ehefrauen schreiben können, in dem Fall waren alle Männer heterosexuell und mit einer Frau verheiratet. Ich verallgemeinere es deshalb, weil auch das eine wesentliche Erkenntnis meiner Begegnungen mit faszinierenden Frauen und Männern ist: Alle Menschen, die ich getroffen habe und die sich selbst als glücklich und erfolgreich bezeichnet haben, haben sich selbstverwirklicht, auf ihre eigenen Fähigkeiten vertraut und eine starke Partnerschaft oder eine starke Beziehung zu anderen Menschen gepflegt. Die sexuelle Orientierung und das Geschlecht hat dabei keinen Unterschied gemacht. Auch waren nicht alle verheiratet oder in einer festen Partnerschaft. Manche hatten Kinder, manche nicht. Das Lebensmodell hat keine Auswirkung auf ihr Empfinden von Glück und Erfolg. Selbstwertgefühl und eine starke Verbindung zu einem oder mehreren Menschen sind es, die mir als Erfolgsrezept für das Leben im Kopf geblieben sind.

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